History of the Peloponnesian War
Thucydides
Thucydides. Vier Staatsreden aus Thucydides. Gürsching, Heinrich, translator. Augsburg: Wirth, 1856.
Zumal der Vorwurf der Langsamkeit und Unentschlossenheit, den sie uns immer machen, kann euch ruhig lassen. Wozu eilen, wenn ihr dadurch nur später zum Ziele kommt, weil ihr unvorbereitet begonnen? Und dann, steht nicht Sparta frei und ruhmreich da von alters her? Wie oft ist auch dies Zögern nur der Ausdruck selbstbewusster Besonnenheit!
Uns wenigstens bewahrt es vor der sonst gewöhnlichen Ueberhebung im Glücke und im Unglück vor der plötzlichen Muthlosigkeit; will man durch Schmeichelei gegen unsere Ueberzeugung uns zu einem Wagnis verlocken[*]() , so lassen wir
uns nicht durch Ehrgeiz fortreissen, oder wenn man dann mit Vorwürfen uns in Harnisch bringen will[*]() , eben sowenig aus verletztem Ehrgefühl überreden. Beides im Feld wie im Rath ist uns die Bescheidenheit gut. Im Feld; denn Besonnenheit ist vor allem die Mutter der Scham, Ehrgefühl aber die des Muthes. Im Rathe; denn unsere Erziehung ist zu eingezogen, um uns besser zu dünken als das Gesetz, zu rauh und strenge, um ihm ungehorsam zu sein; sie bewahrt uns vor der eiteln Afterklugheit, welche die Macht des Feindes trefflich herabsetzen, aber im Ernst es doch nicht mit ihr aufnehmen kann[*]() ; sie lässt uns nicht vergessen, dass der Gegner ebenfalls seinen Verstand hat[*]() , besondere Glücksfälle aber sich nicht wahrsagen lassen, dass wir also stets dem Gegner Ueberlegung zutrauen und darnach unsere Vorbereitungen treffen müssen. Baue niemand seine Hoffnungen auf dessen muth-Diesen Grundsätzen, die wir von unsern Vätern überkommen und selber stets bewährt erfunden haben, lasst uns nicht ungetreu werden und nicht binnen weniger Stunden über so viel Menschenleben und Eigenthum, über Staatenglück und Ehre einen übereilten Beschluss fassen, sondern uns Zeit nehmen. Wir haben den Vortheil der Macht, um nichts zu versäumen. Nach Athen also sendet wegen Potidäas und wegen der Beschwerden der Bundesgenossen, besonders da sie eine gerichtliche Entscheidung nicht ablehnen. Wer diese anbietet, den hat man kein Recht als bereits Verurtheilten anzugreifen. Aber zugleich rüstet euch auch zum Kriege. Dies ist das Beste, was ihr beschliessen könnt, und wird bei dem Feind am meisten Eindruck machen.
Wenn es bisher bei den Rednern an dieser Stätte fast allgemeiner Brauch geworden, den Mann zu rühmen, der mit der Bestattung diese Rede verband, weil an dem Grabe gefallener Krieger ein ehrendes Wort sich zieme, so würde ich es für hinreichend gehalten haben, dass man Helden der That mit einer festlichen Handlung ehre, — wie das denn der Staat durch die Bestattung gethan hat, deren Zeugen ihr so eben gewesen — und würde die Verherrlichung so vieler Männer nicht einem Einzelnen und der zufälligen Wirkung seines Vortrags anheimgegeben haben.