History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Vier Staatsreden aus Thucydides. Gürsching, Heinrich, translator. Augsburg: Wirth, 1856.

Man könnte einwenden, dass wir ihnen durch unser Fussvolk, unsere Anzahl weit überlegen sind, und so ihr Land unsem verwüstenden Einfällen offen

steht. Allein sie besitzen auswärts Unterthanenland genug und können ihre Bedürfnisse zur See beziehen. Oder endlich wir wollten die Bundesgenossen zum Abfall bringen, so brauchen wir wieder eine Flotte zu deren Beistand, da sie meistens Inselbewohner sind. Was wird also unser warten in diesem Kriege? Denn ohne Ueberlegenheit zur See und ohne sie der Einkünfte zu berauben, von denen sie ihr Schiffsvolk unterhalten, werden wir fast überall im Nachtheil sein. Und dann ist es auch zu einem ehrenvollen Frieden zu spät, zumal wenn wir die Hauptschuld an dem Ausbruch des Kampfes tragen. Denn mit der Hoffnung, wie gesagt, soll sich niemand schmeicheln, dass der Krieg schnell beendigt werden kann, wenn wir ihr Land verheeren. Eher, fürchte ich, werden wir ihn unsern Kindern hinterlassen müssen. So gewiss wird der athenische Stolz sich nicht von dem Lande beherrschen oder gleich Weibern durch die Kriegsgefahr einschüchtern lassen.

Indessen rathe ich keineswegs, ihren Mishandlungen unserer Bundesgenossen gleichgültig zuzusehen und ihnen ihre Umtriebe hingehen zu lassen, sondern das Schwert noch in der Scheide zu behalten, dagegen in Athen ernste Vorstellungen zu machen, ohne offene Kriegsdrohung, aber ohne uns auch etwas zu vergeben; unterdes aber uns gleichfalls in Verfassung zu setzen und Bundesgenossen zu werben, gleichviel ob Griechen oder Barbaren, wo wir nur eine Verstärkung an Schiffen oder Geld gewinnen können. Wer es mit einem lauernden Feinde zu thun hat, wie wir mit den Athenern, hat allen Fug, nicht blos mit Griechen, sondern auch mit Barbaren zu seiner Selbsterhaltung sich zu verbünden. Zugleich aber müssen wir selbst uns rüsten. Lassen sie sich weisen und hören auf unsere Gesandten, desto besser; im andern Falle ist es nach zwei oder drei Jahren nicht zu spät, wenn es sein muss, sie dann in besserer Kriegsverfassung anzugreifen. Möglich indes, wenn sie unsre Bereitschaft sehen und die nachdrückliche Sprache, die wir führen, dass sie doch noch nachgeben, so lange ihr Land nicht verheert ist und sie noch über ihr gesamtes, unversehrtes Eigenthum verfügen. Denn ihr Land ist nur wie ein Pfand in unsern Händen, und dies in dem Masse, je besser es angebaut ist. Darum müssen wir es schonen so lange als möglich und uns nicht diese Handhabe rauben, indem wir sie zum Aeussersten treiben. Demi eine übereilte Verwüstung desselben, ohne Vorbereitung, blos auf die Beschwerden der Bundesgenossen hin, würde sicherlich dem Peloponnes nur noch mehr Schande und Schaden bereiten. Streitigkeiten zwischen Staaten wie zwischen Einzelnen lassen sich schlichten; wenn

aber erst ein Staatenbund für Sonderinteressen einen Krieg angefangen hat, dessen Ausgang niemand abzusehen vermag, dann ist es nicht mehr leicht, ihn mit Ehren beizulegen.

Sehe keiner Feigheit darin, dass eine solche Anzahl von Städten sich erst besinnen soll, eine einzige anzugreifen. Hat ja auch Athen eben so viele tributzahlende Bundesgenossen, und in diesem Kriege gibt nicht die Wehr-, sondern die Steuerkraft den Ausschlag, welche jene erst wirksam macht, besonders bei einer Landmacht einem Seestaat gegenüber. Nehmen wir uns also Zeit sie auszubeuten und widerstehen wir bis dahin allen Anreizungen der Bundesgenossen. Und weil wir wegen des glücklichen oder unglücklichen Ausganges die Hauptverantwortung zu tragen haben, so lasst uns solchen auch ohne Uebereilung gehörig abwägen.