History of the Peloponnesian War

Thucydides

Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Braun, Theodor, translator. Leipzig: Insel-Verlag, 1917.

Mit diesen ihnen von Xenares und Kleobulos und ihren lakedämonischen Freunden mitgegebenen Aufträgen an ihre Regierungen reisten beide, Böotier und Korinther, wieder ab. Auf ihrer Rückreise aber machten sich zwei Herren der Re­ gierung in Argos, die ihnen unterwegs aufgepaßt hatten, an sie heran und legten ihnen gesprächsweise nahe, ob nicht auch die Böotier, wie die Korinther, Eleer und Mantineer, ein Bündnis mit Argos schließen wollten; denn wenn es dazu käme, würde es ihrer Meinung nach für sie ein leichtes sein, im Einvernehmen mit ihren Bundesgenossen mit den Lake­ dämoniern oder nötigenfalls auch mit jedem anderen nach Be­ lieben Krieg zu führen oder Frieden zu schließen. Dieser Vorschlag kam den böotischen Gesandten eben recht; denn er entsprach ja grade dem Auftrage, den sie von ihren Freunden in Lakedämon erhalten hatten. Nachdem die Herren aus Argos sich überzeugt, daß ihr Vorschlag auf guten Boden gefallen war, verabschiedeten sie sich von ihnen mit dem Bemerken, sie würden Gesandte an die Böotier schicken. Nach der Rückkehr berichteten die Böotier den Böotarchen über die ihnen in Lake­ dämon und bei der Zusammenkunft mit den Argeiern gemachten Vorschläge. Die Böotarchen waren darüber sehr erfreut und gingen um so lieber darauf ein, weil es sich so traf, daß beide, sowohl ihre Freunde in Lakedämon wie die Argeier, die gleiche Politik mit ihnen zu befolgen wünschten. Bald nachher er­ schienen auch Gesandte aus Argos, um sie zum Abschluß des verabredeten Bündnisses aufzufordern. Die Böotarchen er­ klärten sich dazu bereit und entließen sie mit dem Versprechen, zum Abschluß des Bündnisses Gesandte nach Argos zu schicken.

Inzwischen beschlossen die Böotarchen, die Korinther, die

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Megarer und die Gesandten aus Thrakien, sich zunächst gegen­ seitig eidlich zu verpflichten, daß sie Vorkommendenfalls auf Verlangen einander beistehen und ohne Zustimmung aller mit niemand Krieg anfangen oder Bündnisse eingehen wollten, und so sollten dann auch die Böotier und Megarer, die hierin einen Strang zogen, das Bündnis mit Argos schließen. Be­ vor es jedoch zur Eidesleistung kam, machten die Böotarchen den vier hohen Ratshöfen der Böotier, denen in allem die letzte Entscheidung zusteht, hiervon Mitteilung und schlugen ihnen vor, mit allen Städten, die es in ihrem Interesse fänden, sich ihnen anzuschließen, ein solches Bündnis einzugehen. Die Ratsherren aber wollten davon nichts hören, aus Furcht, den Lakedämoniern durch ein Bündnis mit den von ihnen ab­ gefallenen Korinthern Anstoß zu geben. Die Böotarchen hatten ihnen nämlich von den Verhandlungen in Lakedämon, daß die Ephoren A'enares und Kleobulos und ihre dortigen Freunde ihnen geraten, erst mit Korinth und Argos und dann auch mit Lakedämon ein Bündnis einzugehen, nichts gesagt, in der Annahme, sie würden auch ohne dies nichts anderes beschließen, als was sie ihnen auf Grund der vorläufigen Verabredungen ihrerseits vorschlügen. Als die Sache auf Hindernisse stieß, reisten die Korinther und die Gesandten aus Thrakien wieder ab, ohne etwas zuwege gebracht zu haben. Die Böotarchen aber, welche ursprünglich gehofft, wenn sie das erreicht, auch das Bündnis mit Argos durchsetzen zu können, kamen nun den Ratshöfen gar nicht mehr^mit den Argeiern, schickten auch die Gesandten nicht nach Argos, wie sie versprochen hatten. Die ganze Sache wurde überhaupt lau und lässig betrieben.

In diesem Winter wurde Mekyberna, wo sich eine athe­ nische Besatzung befand, von den Olynthern überfallen und erobert. Inzwischen waren die Verhandlungen zwischen den Lakedämoniern und den Athenern über die Herausgabe der eroberten Plätze immer noch im Gange, und die Lakedämonier hofften, wenn die Böotier Panakton den Athenern heraus­ gäben, würden sie wohl Pylos dafür bekommen. Auch ließen

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sie bald nachher die Böotier durch eine Gesandtschaft auf­ fordern, ihnen Panakton und die gefangenen Athener zu über­ lassen, um Pylos dafür eintaushcen zu können. Die Böotier aber wollten sich dazu nur verstehen, wenn sie mit ihnen, wie mit Athen, ein besonderes Bündnis eingingen. Nun wußten die Lakedämonier recht gut, daß sie dazu den Athenern gegen­ über nicht berechtigt waren; denn nach dem Vertrage durfte keiner von beiden ohne den anderen mit einem Dritten ein Bündnis schließen oder Krieg anfangend Aber es lag ihnen zu sehr daran, Panakton zu haben, um Pylos dafür zu be­ kommen, und überdies war es der Kriegspartei so eifrig um die Böotier zu tun, daß sie zu Ende des Winters gegen Frühlingsanfang das Bündnis wirklich schlossen. Auch wurde sofort mit der Schleifung von Panakton begonnen. Damit endete das elfte Kriegsjahr.

Gleich im Beginn des nächsten Sommers, als in Argos bekannt wurde, daß Panakton geschleift und zwischen den Böotiern und den Lakedämoniern ein Sonderbündnis geschlossen sei, auch die aus Böotien erwarteten Gesandten nicht ershcienen waren, fürchteten die Argeier, daß sie allein bleiben und alle ihre Bundesgenossen zu den Lakedämoniern übergehen würden. Denn sie glaubten, die Böotier hätten sich von den Lakedämoniern überreden lassen, Panakton zu schleifen und dem athenischen Frieden beizutreten, so daß die Athener alles wüßten, und ihnen jetzt die Möglichkeit eines Bündnisses mit den Athenern abgeschnitten sei, während sie bis dahin bei der Uneinigkeit beider gehofft hatten, falls das Bündnis mit den Lakedämoniern nicht vorhalten sollte, sich immer noch mit den Athenern ver­ bünden zu können. Jetzt, wo dazu keine Aussicht mehr war und sie fürchteten, daß sie es nicht nur mit Lakedämon und Tegea, sondern gleichzeitig auch mit den Böotiern und den Athenern zu tun haben würden, entschlossen sie sich, während sie vorher von einem Bündnis mit den Lakedämoniern nichts wissen wollten und von Hegemonie im Peloponnes geträumt hatten, spornstreichs zwei Männer, die für besondere Lake­ dämoniersreunde galten, Eustrophos und Aison, als Gesandte

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nach Lakedämon zu schicken, indem sie es unter diesen Um­ ständen für das beste hielten, ein Bündnis mit den Lake­ dämoniern zu schließen, um für alle Fälle Frieden zu be­ halten.

Nach ihrer Ankunft dort verhandelten die Gesandten mit den Lakedämoniern über die Bedingungen, unter denen das Bündnis geschlossen werden sollte. Zuerst verlangten die Argeier, über die Landschaft Kynosuria mit den Städten Thyrea und . Anthene, jenes von jeher streitige, zurzeit im Besitz der Lake­ dämonier befindliche Grenzland, solle einer Stadt oder einem einzelnen Vertrauensmann die schiedsrihcterliche Entscheidung übertragen werden. Die Lakedämonier erklärten jedoch von vornherein, davon könne keine Rede sein; wollten sie aber einen Frieden wie früher schließen, so seien sie dazu bereit. Hieraus schlugen die argeiischen Gesandten vor, die Lakedämonier möchten sich für jetzt wenigstens dazu verstehen, einen Frieden auf fünfzig Jahre zu schließen, dabei aber beiden Teilen das Recht vorbehalten, wenn es in Lakedämon und Argos weder Krieg noch Krankheit gäbe, zu verlangen, daß der Streit über jene Landschaft durch einen Waffengang ausgetragen werde, wie schon früher einmal, als sich beide den Sieg zugeschrieben, bei dem es jedoch keinem gestattet sein solle, den anderen über die Grenze von Argos und Lakedämon hinaus zu verfolgen. Die Lakedämonier hielten das anfangs für Torheit; da ihnen aber zu sehr daran lag, mit Arges auf guten Fuß zu kommen, nahmen sie ihren Vorschlag dann doch an und faßten den Vertrag darüber schriftlich ab. Sie verlangten jedoch, bevor er in Kraft träte, sollten sie sich wieder nach Argos begeben, um ihn der Volksversammlung vorzulegen, und, wenn diese zugestimmt, sich zu den Hyakinthien zur Eidesleistung einfinden.

Darauf reisten die Gesandten wieder ab. Während die Argeier hierüber verhandelten, fanden die Gesandten der Lake­ dämonier, Andromedes, Phaidimos und AntimenidaS, welche Panakton und die Kriegsgefangenen von den Böotiern über­ nehmen und den Athenern herausgeben sollten, daß die Böotier Panakton bereits selbst geschleift hatten, indem sie sich dafür

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auf ein vorzeiten bei einem Streit zwischen ihnen und den Athenern getroffenes altes Abkommen beriefen, wonah cdas Land dort nicht bebaut werden, sondern beiden als gemeine Viehweide dienen sollte. Die in den Händen der Böotier be­ findlichen athenischen Kriegsgefangenen aber, die ihnen aus­ geliefert wurden, brachten sie nach Athen und gaben sie den Athenern zurück, setzten sie auch davon in Kenntnis, daß Panakton geschleift sei, in der Meinung, das sei so gut, als ob sie ihnen auch dies zurückgegeben hätten, da sich dort jetzt kein Feind der Athener mehr einnisten könne. Die Athener waren hier­ über empört; denn Panakton sollte ihnen im bisherigen Zu­ stande übergeben werden, und in der Schleifung sahen sie einen hämischen Streich der Lakedämonier, zumal sie erfuhren, daß diese auf eigene Hand ein Bündnis mit den Böotiern ge­ schlossen hatten, während sie sich doch dazu verpflichtet, die dem Frieden nicht beigetretenen Staaten gemeinschaftlich mit ihnen dazu zu zwingen. Unter dem Eindruck, daß die Lake­ dämonier auch noch in anderen Beziehungen dem Vertrage nicht nachgekommen, glaubten sie sich hintergangen und ent­ ließen deshalb die Gesandten mit einer ungnädigen Antwort.

Bei der dadurch zwischen den Lakedämoniern und den Athenern eingetretenen Verstimmung suchten nun auch in Athen die Gegner des Friedens es gleich vollends zum Bruch zu treiben. Zu ihnen gehörte insbesondere auch Alkibiades, Kleinias' Sohn, damals in Vergleich mit anderen Städten noch ein junger Mann, der jedoch als Sohn einer altangesehenen Familie bereits die Augen auf sich zog. Allerdings hielt er einen engeren Anschluß an die Argeier auch an sich fü^ vorteil­ haft, war aber schon aus Stolz und gekränktem Ehrgeiz ein Gegner des Friedens, weil die Lakedämonier darüber durch Nikias und Laches verhandelt, ihn aber seiner Jugend wegen beiseitegelassen hatten, ohne aus die ehemalige alte Staats­ gastfreundschaft Rücksicht zu nehmen, die sein Großvater freilich aufgegeben, er selbst aber durch die ihren Gefangenen von der Insel erwiesenen Gefälligkeiten erneuert zu haben meinte. Weil er sich in jeder Hinsicht zurückgesetzt fühlte, hatte er von An­

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fang an gegen den Frieden gesprochen und behauptet, auf die Lakedämonier sei kein Verlaß, sie schlössen nur deshalb Frieden, weil sie sich mit den Argeiern verbinden und sie von den Athenern trennen wollten, um diese hinterher allein von neuem anzugreisen. Und so schickte er auch damals, als jene Ver­ stimmung eingetreten war, auf eigene Hand gleich eine Auf­ forderung an die Argeier, sich unverzüglich mit Mantineern und Eleern in Athen einzufinden und um ein Bündnis nach­ zusuchen, wozu es jetzt au der Zeit sei und er ihnen gern be­ hilflich sein würde.

Nachdem die Argeier diese Aufforderung erhalten und erfahren hatten, daß das Bündnis mit den Böotiern ohne die Athener geschlossen war, diese vielmehr mit den Lakedämoniern gründlich zerfallen seien, nahmen sie weiter keine Rücksicht darauf, daß ihre Gesandten damals in Lakedämon noch über ein Bündnis verhandelten, sondern zogen es vor, sich nach Athen zu wenden, in der Hoffnung, diese ihnen von alters her befreundete, wie sie demokratische und zur See mächtige Stadt, wenn es zum Kriege käme, auf ihrer Seite zu haben. Sie schickten also gleich Gesandte nach Athen, um über ein Bündnis zu verhandeln, und ebenso die Eleer und die Mantineer. So­ fort aber schickten auch die Lakedämonier Gesandte nach Athen, Philocharidas, Leon und Eudios, drei ihrer Meinung nach dort gern gesehene Männer, aus Furcht, die Athener könnten in ihrem Ärger ein Bündnis mit den Argeiern eingehen, zu­ gleich aber auch, um auf die Herausgabe von Pylos für Panakton zu dringen und sich wegen des Bündnisses mit den Böotiern zu rechtfertigen, das ja keineswegs gegen Athen ge­ richtet sei.

Als sie dies im Rate vortrugen und dabei erklärten, daß sie unbeschränkte Vollmacht hätten, alle Streitigkeiten beizulegen, fürchtete Alkibiades, wenn sie das auch dem Volke sagten, möchte es ihnen zufallen und aus dem Bündnis mit Argos nichts werden. Er nahm deshalb ihnen gegenüber Zuflucht zu einer List und versicherte ihnen mit dem ehrlichsten Gesichte, wenn sie vor dem Volke nichts von ihrer unbeschränkten Voll­

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macht sagten, so würde er ihnen Pylos verschaffen und auch im übrigen alles ins reine bringen; denn wie jetzt gegen sie, werde er die Athener auch für sie einzunehmen wissen. Er tat das, um sie Nikias nicht in die Hände fallen zu lassen und um sie beim Volke als unzuverlässige Kunden, die bald so, bald anders sprächen, in Mißkredit zu bringen und das Bündnis mit Argos, Elis und Mantinea durchzusetzen. Und das gelang ihm auch. Denn als sie in der Volksversammlung auftraten und auf Befragen nicht, wie vor dem Rate, erklärten, daß sie mit unbeschränkter Vollmacht kämen, wollten die Athener nichts mehr von ihnen wissen, sondern hörten nur noch auf Alkibiades, der nun erst recht auf die Lakedämonier loszog. Am liebsten hätten sie die Argeier und ihre Freunde gleich vorgelassen und ein Bündnis mit ihnen geschlossen. Da jedoch, ehe es dazu kam, ein Erdbeben eintrat, wurde die Versammlung für diesmal vertagt.

Obgleich Nikias durch die den Lakedämoniern gegenüber geglückte Finte, von dem Mangel der Vollmacht dürfe keine Rede sein, selbst auch getäuscht worden war, sprach er sich in der Versammlung am folgenden Tage trotzdem dafür aus, an der Freundschaft mit den Lakedämoniern festzuhalten und auf die Wünsche der Argeier vorläufig lieber nicht einzugehen. Man möge vielmehr zunächst Gesandte an sie schicken, um sich darüber zu vergewissern, worauf sie hinaus wollten^ Dabei hob er hervor, daß es im Interesse der Athener, nicht aber der Argeier läge, es noch nicht zum Kriege kommen zu lassen; denn für Athen in seiner glücklichen Lage sei es erwünscht, den jetzigen Zustand so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, den armen Argeiern aber werde ein baldiger Ausbruch des Krieges wie gefunden kommen. Er bewog auch die Athener, Gesandte an die Lakedämonier zu schicken, zu denen er selbst auch gehörte, um sie aufzufordern, Panakton gehörig heraus­ zugeben und Amphipolis abzutreten, und wenn die Böotier dem Frieden nicht beiträten, das Bündnis mit ihnen wieder aufzulösen, da doch ausgemacht sei, daß keiner ohne den andern Bündnisse schließen dürfe. Zugleich sollten sie ihnen zu ver­ [*]( II )

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stehen geben, daß auch sie, wären sie nicht so ehrlich gewesen, längst ein Bündnis mit den Argeiern hätten schließen können, die sich ja selbst zu dem Zweck bei ihnen eingefunden. Dies alles und worüber man sich sonst noch beschweren zu können glaubte, zur Sprache zu bringen, wurde Nikias denn auch mit den übrigen Gesandten nach Lakedämon geschickt. Dort angekommen, entledigten sie sich ihres Auftrags und erklärten schließlich, wenn die Lakedämonier das Bündnis mit den Böotiern nicht aufgäben, falls diese dem Frieden nicht beiträten, so würde auch Athen ein Bündnis mit den Argeiern und deren Bundesgenossen schließen. Die Lakedämonier erwiderten jedoch, wie der Ephor Lenares mit seinen Anhängern und sonstigen Gesinnungsgenossen das durchgesetzt hätte, sie würden das Bündnis mit den Böotiern nicht aufgeben. Indessen verstanden sie sich doch auf Nikias' Wunsch dazu, den Vertrag von neuem zu beshcwören. Nikias fürchtete nämlich, daß er bei den Athenern drunterdurch sein würde, wenn er mit leeren Händen zurück­ kehrte, und so kam es auch in der Tat, da man ihn als den Urheber des Friedens mit den Lakedämoniern ansah. Als die Athener nach seiner Rückkehr hörten, daß man in Lakedämon nichts erreicht habe, waren sie empört und schlossen im Gefühl der ihnen widerfahrenen Kränkung auf der Stelle mit den noch anwesenden, von Alkibiades eingeführten Argeiern und ihren Verbündeten Frieden und Bündnis, und zwar dahin:

„Frieden aus hundert Jahr haben die Athener und die Argeier, Eleer und Mantineer für sich und die ihnen beider­ seits untergebenen Bundesgenossen geschlossen, unverbrüchlich nnd ohne Gefährde, sowohl zu Lande wie zur See. Wegen vermeintlicher Ansprüche Waffengewalt anzuwenden oder sich List und ähnlicher Mittel zu bedienen, soll weder den Argeiern, Eleern und Mantineern und deren Bundesgenossen gegen die Athener und die ihnen untergebenen Bundesgenossen, noch den Athenern und ihren Bundesgenossen gegen die Argeier, Eleer und Mantineer und deren Bundesgenossen gestattet sein. Die Athener und die Argeier, Eleer und Mantineer schließen ein Bündnis auf hundert Jahr unter folgenden Bedingungen.

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Wenn den Athenern ein Feind ins Land fällt, sollen die Argeier, Eleer und Mantineer den Athenern auf Verlangen, soweit es in ihrer Macht steht, nach Kräften zu Hilfe kommen. Wäre er nach Verheerung des Landes wieder abgezogen, so soll er von den Argeiern, Mantineern, Eleern und Athenern als Feind behandelt und sein Land von allen diesen Staaten verheert werden. Keinem dieser Staaten soll erlaubt sein, mit dem feindlichen Staate ohne Zustimmung aller übrigen Frieden zu schließen. Wenn den Eleern, Mantineern oder Argeiern ein Feind ins Land fällt, sollen die Athener den Argeiern, Mantineern und Eleern auf Verlangen, soweit es in ihrer Macht steht, nach Kräften zu Hilfe kommen. Wäre er nach Verheerung des Landes wieder abgezogen, so soll er von den Athenern, den Argeiern, Mantineern und Eleern als Feind behandelt und sein Land von allen diesen Staaten ver­ heert werden. Keinem dieser Staaten soll erlaubt sein, mit dem feindlichen Staate ohne Zustimmung aller übrigen Frieden zu schließen. Fremdem Kriegsvolk soll keiner von ihnen Durch­ zug durch sein Gebiet oder das der ihm untergebenen Bundes­ genossen gestatten, auch nicht auf dem Seewege, wenn nicht sämtliche Staaten, Athen, Argos, Mantinea und Elis, damit einverstanden sind. Der Staat, welcher einem anderen Hilfs­ truppen schickt, hat sie bis zu dreißig Tagen von da an, wo sie das Gebiet des Hilfe begehrenden Staates betreten, zu verpflegen, und ebenso soll es gehalten werden, wenn sie wieder abziehen. Wünscht der die Hilfe begehrende Staat die Truppen länger zu behalten, so hat er die Kosten der Verpflegung zu übernehmen und für den Hopliten, den Leichten und den Bogenschützen drei äginetische Obolen, für den Reiter eine äginetische Drachme täglich zu zahlen. Solange der Krieg im Lande des die Hilfe begehrenden Staates geführt wird, steht ihm der Oberbefehl zu. Wenn aber die Staaten einen gemeinschaftlichen Feldzug anderswohin zu unternehmen be­ schließen, so sollen sie alle gleichmäßig am Oberbefehl be­ teiligt sein.

Die Athener sollen den Frieden für sich und ihre Bundes­

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genossen, die Argeier, Mantineer, Eleer und ihre Bundes­ genossen aber Stadt für Stadt beschwören. Jeder soll den bei ihm landesüblichen höchsten Eid leisten beim Opfer ausge­ wachsener Tiere. Der Eid aber soll also lauten: Ich will den Bund, so wie er geschlossen ist, halten, ehrlich, unverbrüchlich, ohne Gefährde, und ihn durch keinerlei Ausflüchte oder Winkel­ züge zu umgehen suchen. In Athen soll der Eid von dem Rate und den Beamten für das Innere (Archai endemoi) ge­ leistet, von den Prytanen abgenommen werden. In Argos soll er von dem Rate, den Achtzig und den Artynen geleistet und von den Artynen abgenommen, in Mantinea von den Deminrgen, dem Rate und den übrigen Beamten geleistet, von den Theoren und den Polemarchen abgenommen, in Elis von den Demiurgen, den höchsten Beamten und den Sechshundert geleistet, von den Demiurgen und den Thesmophylaken abge­ nommen werden. Die Athener sollen den Eid in Elis, Man­ tinea und Argos erneuern und sich dazu dreißig Tage vor den olympischen Spielen dorthin begeben, die Argeier, Eleer und Mantineer aber in Athen und sich dazu zehn Tage vor den großen Panathenäen dort einfinden. Der Vertrag über Frieden, Eid und Bündnis ist inschriftlich auf einer steinernen Säule anzubringen von den Athenern auf der^Burg, von den Argeiern auf dem Markte am Tempel des Apollon, von den Mantineern auf dem Markte am Tempel des Zeus. In Olympia aber soll das nächstemal bei den olympischen Spielen eine eherne Säule gemeinschaftlich von ihnen aufgestellt werden. Würden diese Staaten es für angemessen halten, dem Vertrage etwas hinzu­ zufügen, so soll das darüber nach gemeinsamer Beratung von ihnen übereinstimmend Beschlossene fortan maßgebend sein."

Dergestalt wurde der Friede und das Bündnis geschlossen. Die zwischen den Lakedämoniern und den Athenern bestehenden Verträge aber wurden darum doch von keiner Seite gekündigt. Die Korinther aber traten, obwohl sie mit den Argeiern ver­ bündet waren, dem Bunde nicht bei, wie sie auch schon dem vorher von den Eleern, Argeiern und Mantineern geschlossenen Schutz- und Trutzbündnis nicht beigetreten waren, sondern

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erklärt hatten, daß ihnen das bisherige Schutzbündnis genüge. So trennten sich die Korinther von den Verbündeten und wandten sich den Lakedämoniern wieder zu.

In diesem Sommer fanden die olympischen Spiele statt, bei denen der Arkadier Androsthenes im Ring- und Faust­ kampf den ersten Preis gewann. Die Lakedämonier wurden von den Eleern zum Feste nicht zugelassen, so daß sie weder an den Opfern noch an den Wettkämpfe.n teilnehmen dursten, weil sie die Strafe nicht bezahlt, zu der die Eleer sie nach olympischem Recht verurteilt hatten, indem sie behaupteten, sie hätten während des olympischen Friedens das feste Phyrkos angegriffen und ihre Hopliten nach Lepreon geschickt. Die Strafe betrug zweitausend Minen, zwei Minen für jeden Hopliten, wie es das Gesetz bestimmte. Die Lakedämonier er­ hoben durch ihre Abgesandten dagegen Widerspruch, weil sie mit Unrecht verurteilt seien; denn der Friede sei in Lakedämon noch gar nicht angesagt gewesen, als sie die Hopliten ab­ geschickt. Die Eleer aber erklärten, bei ihnen sei damals schon Friede gewesen, - sie lassen ihn nämlich in Elis selbst zuerst ansagen, - und während sie sich auf den Frieden verlassen, hätten sie ihnen hinterrücks diesen Streich gespielt. Die Lake­ dämonier erwiderten, wären die Eleer schon damals von ihrer Schuld überzeugt gewesen, so hätten sie nicht nötig gehabt, den Frieden nachher noch in Lakedämon ansagen zu lassen, und doch hätten sie das getan, weil sie die Sache damals anders angesehen; seitdem aber hätten die Lakedämonier keinerlei Feindseligkeiten mehr gegen sie verübt. Die Eleer blieben jedoch dabei, sie könnten sich von ihrer Unschuld nicht über­ zeugen; wenn sie ihnen aber Lepreon herausgeben wollten, so würden sie nicht nur auf ihren Anteil an dem Gelde ver­ zichten, sondern auch das, was dem Gotte davon gebühre, selbst für sie bezahlen.

Als die Lakedämonier das ablehnten, schlugen sie weiter vor, wenn sie das nicht wollten, möchten sie Lepreon immerhin behalten, dann aber, falls sie doch am Feste teilzunehmen wünschten, sich in Gegenwart der Griechen am Altar des

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olympischen Zeus eidlich verpflichten, die Strafe später zu ent­ richten. Da die Lakedämonier auch das nicht wollten, blieben sie im Feste von den Opfern und den Wettkämpfen ausge­ schlossen und opferten zu Hause. Die übrigen Griechen aber mit Ausnahme der Lepreer fanden sich zum Feste ein. Die Eleer fürchteten jedoch, die Lakedämonier könnten die Teil­ nahme an den Opfern mit Gewalt erzwingen, und ließen des­ halb den Festplatz durch ihre bewaffnete junge Mannschaft bewachen. Auch erhielten sie aus Argos und Mantinea je tausend Mann zur Unterstützung und aus Athen Reiter, welche das Fest über in Argos blieben. Die versammelten Fest­ genossen aber waren in großer Furcht vor einem bewaffneten Überfall der Lakedämonier, namentlich seitdem der Lakedämonier Lichas, Arkesilaos' Sohn, auf dem Festplatze auf Befehl der Festordner ausgepeitscht war. Dessen Gespann hatte nämlich gesiegt; da er aber unerlaubterweise am Wettkampfe teil­ genommen hatte, wurde der Preis einem böotischen Staats­ gespanne zuerkannt. Da war er denn selbst in die Schranken getreten und hatte seinen Wagenlenker bekränzt, um zu zeigen, daß das sein Wagen wäre. Infolgedessen fürchteten sich alle erst recht und glaubten, eS würde was geben. Die Lakedämonier aber kamen nicht, und so verlief das Fest ungestört. Nach dem Feste begaben sich die Argeier und ihre Bundesgenossen nach Korinth, um die Korinther zum Anschluß an ihr Bündnis aufzufordern. Zufällig waren dort grade auch Gesandte aus Lakedämon anwesend. Trotz längerer Verhandlungen aber kam es dort zu nichts, und als ein Erdbeben eingetreten war, reisten alle wieder nach Hause. Damit endete der Sommer.

Im folgenden Winter kam es zu einer Schlacht zwischen den Herakleern in Trachis und den Ainianern, Dolopern, Meliern und einigen anderen thessatischen Völkerschaften. Diese Stämme dort in der Nachbarschaft lebten nämlich mit Heraklea auf dem Kriegsfuße; denn die Stadt war ja eben als ein Trutzwerk ihnen gegenüber angelegt, und deshalb hatten sie ihr von Anfang an Schwierigkeiten gemacht und nach Kräften Abbruch getan. Auch in dieser Schlacht besiegten sie die

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Herakleer, und deren Anführer, der Lakedämonier XenareS, Knidiö' Sohn, und eine Anzahl Herakleer blieben auf dem Platze. Damit endete der Winter und das zwölfte Jahr des Krieges.

Gleich im Beginne des nächsten Sommers wurde Herakles, das nach der Schlacht übel genug gefahren war, von den Böotiern besetzt und der Lakedämonier Hagesippidas mit Rück­ sicht auf die unter seiner Verwaltung eingerissenen Mißbräuche durch sie von dort entfernt. Der Grund, weshalb sie die Stadt besetzten, war die Besorgnis, daß die Athener, während die Lakedämonier durch die peloponnesischen Händel in An­ spruch genommen waren, sich ihrer bemächtigen würden. Die Lakedämonier freilich nahmen ihnen das sehr übel.

In demselben Sommer kam Alkibiades, Kleinias' Sohn, im Einvernehmen mit den Argeiern und ihren Bundesgenossen als athenischer Feldherr mit einer Handvoll athenischer Ho­ pliten und Bogenschützen nach dem Peloponnes. Nachdem er Verstärkungen von seiten der dortigen Bundesgenossen er­ halten, durchzog er mit seinem Heere den Peloponnes und suchte die Sache des Bundes überall zu fördern. So veran­ laßte er die Paträer, eine Mauer bis an die See zu führen, und ging selbst damit um, auf dem Vorgebirge Rhion in Achaia ein zweites Schloß zu erbauen, woran er jedoch durch die Korinther und die Sikyoner und andere, denen ein solcher Bau unbequem war, mit bewaffneter Hand verhindert wurde.

In demselben Sommer kam es zum Kriege zwischen den Epidauriern und den Argeiern. Vorwand war, daß die Epi­ daurier dem pythischen Apollon das Opfer wegen der Ufer­ ländereien, wozu sie verpflichtet waren, nicht gebracht hatten. Der Tempel dort aber stand unter besonderem Schutz der Argeier. Doch ganz abgesehen davon wünschten Alkibiades und die Argeier, Epidauros womöglich in ihre Gewalt zu bringen, einmal um die Neutralität von Korinth zu sichern, dann aber auch, damit die Athener auf kürzerem Wege von Agina herüberkommen könnten und nicht erst um das Vor­ gebirge Skyllaion zu fahren brauchten. Indessen wußten die

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Argeier die Sache so zu wenden, als ob sie ihrerseits nur nach^Epidauros einrückten, um die Vollziehung des Opfers zu erzwingen.

Um dieselbe Zeit zogen die Lakedämonier unter König Agis, Archidamos' Sohn, mit Heeresmacht gegen das an ihrer Grenze nach dem Lykaion zu belegene Leuktra. Niemand wußte, wohin der Zug ging, nicht mal die Städte, welche die Mannschaft gestellt hatten. Als aber das von ihnen beim Überschreiten der Grenze gebrachte Opfer schlecht ausfiel, gingen sie wieder nach Hause und ließen bei den Bundes­ genossen ansagen, sie sollten sich nach dem nächsten Monat, dem dorischen Festmonat Karneios, auf den Feldzug einrichten. Nach ihrem Abzüge sielen die Argeier noch im Monat KarnaioS, am vierten Tage des letzten Drittels, obgleich sie den Tag sonst immer feiern, ins Epidaurische ein und verheerten das Land. Die Epidaurier aber riefen ihre Bundesgenossen zu Hilfe, von denen sich jedoch einige mit dem Festmonat ent­ schuldigten, andere zwar bis an die Grenze von Epidaurien rückten, aber dort stehen blieben.

Während die Argeier in Epidauros waren, kamen Ge­ sandte der Staaten auf Einladung der Athener in Mantinea zusammen. Im Laufe der Verhandlungen bemerkte Euphamidas aus Korinth, die Reden und die Taten stimmten nicht überein; denn während man hier in der Sitzung über Frieden rede, ständen die Epidaurier mit ihren Verbündeten und die Argeier sich in Waffen gegenüber. Zunächst also sollten sich mal Be­ vollmächtigte beider Parteien an Ort und Stelle begeben und die Einstellung der Feindseligkeiten veranlassen; alsdann möge man weiter über den Frieden reden. Die Versammlung war damit einverstanden, und es gelang auch den von ihr ent­ sandten Bevollmähctigten, die Argeier zum Abzüge aus dem Epidaurischen zu bewegen. Darauf traten die Gesandten von neuem zusammen, konnten sich jedoch auch jetzt nicht einigen, und die Argeier fielen den Epidauriern nun abermals sengend und brennend ins Land. Auch die Lakedämonier unternahmen einen Zug gegen Karyai; als jedoch auch hier das beim Über­

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schreiten der Grenze gebrachte Opfer ungünstig ausfiel, kehrten sie wieder um. Nachdem die Argeier etwa ein Drittel des Epidaurischen verheert hatten, gingen sie ebenfalls wieder nach Hause. Aus die Nachricht vom Ausmarsch der Lakedämonier waren tausend athenische Hopliten unter Alkibiades ihnen zu Hilfe gekommen; da man sie aber nicht mehr nötig hatte, zogen sie wieder ab. So ging der Sommer vorüber.

Im folgenden Winter schickten die Lakedämonier, ohne daß die Athener darum wußten, dreihundert Mann unter Agesippidas zu Wasser als Besatzung nach Epidauros. Die Argeier aber beshcwerten sich in Athen darüber, daß man die Lakedämonier auf dem Seewege durchgelassen habe, obwohl in dem Vertrage ausdrücklich bestimmt sei, daß keiner fremdem Kriegsvolk den Durchzug durch sein Gebiet gestatten solle. Wenn sie nun nicht auch die Messenier und die Heloten bei Pylos auf die Lakedämonier losließen, so würde man in Argos darin eine Vertragsverletzung erblicken müssen. Die Athener brachten dann auch auf Alkibiades' Rat auf der lakonischen Säule den Zusatz an, daß die Lakedämonier den Eid gebrochen hätten, ließen auch die Heloten aus Kranioi nach Pylos kommen, um von dort aus Streifzüge zu unternehmen, machten aber sonst nichts weiter aus der Sache. Im Kriege zwischen den Argeiern und den Epidauriern kam es in diesem Winter zu keiner ordentlichen Schlacht, sondern nur hin und wieder zu einem Überfall aus dem Hinterhalt oder einem kleinen Scharmützel, wobei je nachdem der eine oder der andere Teil ein paar Tote auf dem Platze ließ. Gegen Ende des Winters kurz vor Frühlingsanfang rückten die Argeier mit Leitern vor Epidauros, das sie infolge des Krieges von Truppen entblößt glaubten, um die Stadt mit Sturm zu nehmen, mußten aber unverrichteter Sache wieder abziehen. Damit endete der Winter und das dreizehnte Jahr des Krieges.