History of the Peloponnesian War
Thucydides
Thucydides. Geschichte des Peloponnesischen Kriegs. Braun, Theodor, translator. Leipzig: Insel-Verlag, 1917.
Hier aber, wo man sich jetzt nicht nur von der Gegen partei, sondern auch von einer feindlichen Flotte bedroht sah, geriet man in die größte Bestürzung, brachte auch gleich sechzig Schiffe zu Wasser und schickte sie, sobald die Mannschaft an Bord war, eins nach dem anderen einzeln gegen den Feind, obgleich die Athener dazu rieten, zunächst sie allein vorgehen zu lassen und selbst erst hinterher mit allen Schiffen zusammen nachzukommen. Wie nun die Schiffe so einzeln an den Feind kamen, gingen gleich zwei von ihnen über, auf anderen geriet die Mannschaft unter sich in Streit, und von Ordnung war dabei keine Rede. Als die Peloponnesier die Unordnung ge wahr wurden, wandten sie sich mit zwanzig Schiffen gegen die Kerkyräer, mit den übrigen gegen die zwölf athenischen Schiffe, von denen zwei die „Salaminia" und die „Paralos" waren.
Den Kerkyräern selbst mit ihren verfehlten und zer- splitterten Angriffen ging es übel genug. Die Athener aber, welche sich aus Furcht vor einer Umfassung durch die Überzahl der Schiffe nicht getrauten, den Angriff auf die ganze Flotte oder die Mitte der feindlichen Stellung zu richten, warfen sich auf einen Flügel und bohrten den Feinden ein Schiff in den Grund. Als diese hierauf einen Kreis bildeten, ruderten sie um sie herum und suchten sie in Verwirrung zu bringen. Als die peloponnesischen Schiffe den Kerkyräern gegenüber das be merkten und fürchteten, eS könne ein zweites Naupaktos geben,
Die Kerkyräer aber hatten aus Furcht, die Feinde könnten nach ihrem Siege mit der Flotte vor die Stadt kommen, die Leute auf der Insel aufnehmen oder sonstwie Partei für sie ergreifen, diese von der Insel wieder in den Heratempel bringen und die Stadt gut bewachen lassen. Indessen fanden die Feinde trotz der siegreichen Schlacht nicht den Mut, an die Stadt zu kommen, sondern zogen mit dreizehn erbeuteten kerkyräischen Schiffen Heder nach dem Festlande ab, von wo sie gekommen waren. Ebensowenig unternahmen sie am folgenden Tage etwas gegen die Stadt, obgleich dort Furcht und Schrecken herrschte und Brasidas, wie es heißt, dazu ge raten hatte; aber nicht er, sondern Alkidas hatte das ent scheidende Wort. Doch kam es zu einer Landung beim Vor gebirge Leukimme, wo sie das Land verheerten.
Unterdessen versuchte das Volk in Kerkyra aus Furcht vor einem Überfall der Flotte sich mit den Flüchtlingen im Tempel und der Gegenpartei über Maßregeln zum Schutz der Stadt zu verständigen, und einige davon ließen sich auch bereitfindet, mit zu Schiff zu gehen. Bei alledem bemannte man nämlich noch dreißig Schiffe. Die Peloponnesier aber, welche bis Mittag das Land verheert hatten und darauf wieder abgefahren waren, erhielten bei Einbruch der Nacht durch Feuerzeichen die Meldung, daß sechzig athenische Schiffe von Leukas her im Ansegeln seien. Das waren die Schiffe, welche die Athener auf die Nachricht von dem Aufruhr in Kerkyra und Alkidas' Absicht, mit der Flotte dahin abzugehen, unter Eurymedon, Thukles' Sohn, ausgeschickt hatten.
Noch in der Nacht brachen die Peloponnesier in aller Eile auf und machten sich an der Küste entlang auf den Rück weg. Bei Leukas zogen sie, um bei der Fahrt um die Insel
Zu solch wilder Wut artete der Parteikamps aus, und das machte damals um so tieferen Eindruck, weil es hier eigentlich zum erstenmal vorkam. Später ging es dann freilich in ganz Griechenland sozusagen drunter und drüber, da es überall Parteikämpfe gab, in denen die Führer der Volkspartei die Athener, die Oligarchen aber die Lakedämonier zu Hilfe riefen. Im Frieden hätte man dazu wahrscheinlich weder Veranlassung
So waren in Griechenland infolge der Parteikämpfe Hinter list und Tücke jederart im Schwange, redliche Einfalt aber.
1 Mit diesem Unfug machte man großenteils in Kerkyra den ersten Versuch, mag man nun auf die Handlungen der Rache sehen, welche sie an ihren Regenten verübten, die in dieser Stellung mehr Stolz und Übermut als kluge Mäßigung bewiesen und den Anfang mit harten Ahndungen machten; oder auf die ungerechten Maßregeln, wozu andere die Begierde, sich aus ihrer bisherigen Dürftigkeit zu reißen, oder vielmehr die Sehnsucht nach ihres Nächsten Eigentum verleitete, oder auf die unbändige Hitze, wodurch sich diejenigen, welche nicht in der Absicht, sich zu bereichern, sondern wirklich das Recht zu handhaben, jemandem zu Leibe gingen, hinreißen ließen, höchst grausam und unerbittlich mit ihnen umzugehen. Bei dieser allgemeinen Verwirrung in der Stadt, wo die Gesetze von den natürlichen Neigungen der Menschen, die schon gewohnt sind, auch bei wirklicher Gültigkeit der Gesetze doch dagegen zu sündigen, gänzlich besiegt wurden, zeigte sich's frei, daß der [*]( 1 Kap. 84 gilt schon lange als »neckt. Ich verzichte auf einen neuen Versuch, eS in lesbares Deutsch zu übertragen, und gebe dafür im Text die Heil mannscke Überschnnq. — Lemgo nun. )
Hier also zum erstenmal wüteten die Kerkyräer in der Stadt mit solcher Leidenschaft gegeneinander; Eurymedon und seine Athener aber fuhren mit ihren Schiffen wieder ab. Später bemächtigten sich die kerkyräischen Flüchtlinge, deren gegen fünfhundert entkommen waren, einiger fester Plätze auf dem Festlande und damit der Herrschaft über das dortige städtische Gebiet, unternahmen von da Raubzüge nach der Insel und taten den Einwohnern vielen Schaden, so daß in der Stadt große Hungersnot entstand. Sie schickten auch nach Lakedämon und Korinth und baten, sie nach Kerkyra zurückzu führen. Als sie damit keinen Erfolg hatten, versahen sie sich bald nachher selbst mit Schiffen und Soldaten und setzten damit, im ganzen etwa sechshundert Mann, nach der Insel über. Damit ihnen nichts übrigbleibe als die Eroberung des Landes, steckten sie ihre Schiffe in Brand und zogen dann auf den Berg Jstone, wo sie eine Burg erbauten, von der sie die Stadt in Athem hielten und das platte Land beherrschten.
Gegen Ende desselben Sommers schickten die Athener zwanzig Schiffe unter Laches, Melanopos' Sohn, und Charriades, Euphiletos' Sohn, nach Sizilien. Die Syrakuser und die Leontiner waren nämlich miteinander im Kriege. Zu den Syrakusern hielten alle dorischen Städte mit Ausnahme von Kamarina, die sich ja auch gleich bei Beginn des Krieges dem [*]( I )
Im folgenden Winter trat in Athen die Pest zum zweiten mal auf, die zwar niemals ganz aufgehört, aber doch eine Zeitlang erheblich nachgelassen hatte. Diesmal dauerte sie ein volles Jahr und das vorige Mal zwei Jahre, so daß die Macht der Athener durch nichts mehr geschwächt wurde als durch diese Krankheit; denn von der Mannschaft bei den Fahnen waren ihnen mindestens viertausend Hopliten und dreihundert Reiter, von der übrigen Bevölkerung aber Unzählige daran gestorben. Damals traten auch vielfach Erdbeben ein, in Athen, auf Euboia, in Böotien, besonders dem böotischen Orchomenos. -
Die Athener in Sizilien und die Rhegier unternahmen in diesem Winter mit dreißig Schiffen einen Zug nach den Aolischen Inseln, was im Sommer Wassermangels wegen nicht möglich war. Diese Inseln werden von Liparäern, knidischen Kolonisten, bebaut, die jedoch nur eine ziemlich kleine, namens Lipara, bewohnen, von wo aus sie auch die übrigen, Didyme, Strongyle und Hiera, bebauen. Die Leute dort glauben, auf Hiera sei die Schmiede des Hephaistos, weil man des NachtS eine Feuersäule und bei Tage Rauch von der Insel aufsteigen steht. Die Inseln liegen dem Lande der Sikeler und der
Im folgenden Sommer wollten die Peloponnesier und ihre Verbündeten unter König Agis, Archidamos' Sohn, wieder nach Attika einfallen, kamen auch bis' auf den Isthmus, kehrten aber der vielen Erdbeben wegen wieder um, so daß aus dem Einfall nichts wurde. In dieser Zeit beständiger Erdbeben ergoß sich bei Orobiai auf Euboia eine mächtige Flutwelle aus der See, die vorher zurückgewichen war, über einen Teil der Stadt, wobei das Wasser zum Teil die Stadt verschlang, zum Teil wieder zurückströmte, so daß dort jetzt See ist, wo früher Land war. Auch viele Menshcen, die sich nicht schnell genug auf die Höhen retten konnten, kamen dabei ums Leben. Eine ähnliche Flut trat an der der Küste der opuntischen Lokrer gegenüberliegenden Insel Atalanta ein, durch welche ein Teil der athenischen Festungswerke weggerissen und von zwei auf den Strand gezogenen Schiffen eins zertrümmert wurde. Auch bei Peparethos wich die See etwas zurück, aber die Flutwelle trat dann doch nicht ein; dagegen zerstörte das Erdbeben einen Teil der Stadtmauer, das Prytaneum und eine Anzahl Häuser. Meiner Ansicht nach erklärt sich die Sache so, daß die Wassermasse da, wo der Erdstoß am stärksten ist, in der Richtung deS Stoßes aus der Lage gedrängt wird, dann aber zurück schnellt und sich mit um so größerer Gewalt über das Land ergießt. Daß so was auch ohne Erdbeben eintreten könnte, möchte ich nicht glauben.
In Sizilien gab es in diesem Sommer Krieg an allen Ecken und Enden; sowohl die dortigen Griechen unter sich als auch die Athener mit ihren Bundesgenossen standen im Felde. Ich erwähne nur das Wichtigste, was von den Athenern und ihren Bundesgenossen sowie von deren Gegnern gegen die Athener unternommen wurde. Der athenische Feldherr Char riades war im Kriege gegen die Syrakuser bereits gefallen.
In demselben Sommer schickten die Athener dreißig Schiffe unter Demosthenes, Alkisthenes' Sohn, und Prokles, Theodoros' Sohn, nach dem Peloponnes, und sechzig mit zweitausend Hopliten unter Nikias, Nikeratos' Sohn, nach Melos. Sie wollten nämlich die Melier, die sich auf ihrer Insel weder ihrer Herrschaft unterwerfen noch ihrem Bunde beitreten wollten, zum Anschluß zwingen. Da diese sich jedoch auch nach Verheerung ihres Landes dazu nicht verstanden, fuhren sie von Melos nach Oropos auf dem Festlande hinüber, wo sie bei Nacht landeten. Von da marschierten die Hopliten so gleich nach Tanagra in Böotien, wo das inzwischen aus der Stadt unter Hipponikos, Kallias' Sohn, und Eurymedon, Thukles' Sohn, auf ein gegebenes Zeichen zu Lande aufge brochene Hauptheer der Athener zu ihnen stieß. Bei Tanagra bezogen sie ein Lager, verheerten an dem Tage das Land und blieben dort auch über Nacht. Am folgenden Tage schlugen sie einen Ausfall der durch eine Anzahl Thebaner verstärkten Tanagräer siegreich zurück, erbeuteten die Waffen der Gefallenen und errichteten ein Siegeszeichen; darauf zogen sie wieder ab, die einen nach der Stadt, die anderen auf die Schiffe. Nikias mit seinen sechzig Schiffen kreuzte noch eine Zeitlang an der lokrischen Küste und richtete dort Verheerungen an, kehrte dann aber auch nach Hause zurück.
Um diese Zeit gründeten die Lakedämonier die Kolonie
Die Athener erfüllte die Gründung der Stadt anfangs mit Besorgnis, und sie meinten, daß eS wegen der Kürze der Überfahrt nach Kap Kenaion dabei hauptsächlich auf Euboia abgesehen sei. Es wurde aber damit doch nicht so schlimm, wie sie befürchtet: denn gefährlich ist sie ihnen nie geworden. Das kam davon, daß die thessalischen Machthaber jene Gegend und die Stämme, in deren Land die Kolonie geführt worden
In demselben Sommer um die Zeit, wo die Athener in Melos waren, hatten die Athener von den dreißig Schiffen am Peloponnes erst bei Ellomenos in Leukadien aus einem Hinter halt einen Teil der dortigen Besatzung niedergemacht; später erschienen sie dann vor Leukas mit größeren Kräften, den Akarnaniern, die sich ihnen mit Ausnahme der Oiniader mit ihrem Heerbann angeschlossen hatten, Zakynthiern, Kepha leniern und fünfzehn Schiffen aus Kerkyra. Die Leukadier kamen, obwohl ihr Land zu beiden Seiten der Landenge, auf der Leukas und der Tempel des Apollon liegt, verwüstet wurde, nicht heraus, weil sie sich der Übermacht nicht gewachsen fühlten. Die Akarnanier aber verlangten von Demotshenes, dem athenischen Feldherrn, er solle die Stadt durch eine Mauer einschließen, da sie glaubten, sie auf diese Weise leicht zu er obern und damit eine ihnen von jeher feindliche Stadt loszu werden. Zu gleicher Zeit schlugen ihm die Messenier vor, mit dem unter seinem Befehl vereinigten großen Heere doch gleich gegen die Atolier zu ziehen, die Feinde von Naupaktos, nach deren Unterwerfung es ihm ein leichtes sein würde, auch die übrige festländische Bevölkerung dort für Athen zu gewinnen. Die Atolier wären allerdings ein zahlreiches und kriegerisches Volk, führten aber nur leichte Waffen, wohnten auch in offenen, weit auseinanderliegenden Ortschaften, so daß man ise', ehe sie ihr Heer beisammen hätten, unschwer werde unterwerfen
Demosthenes ging den Messeniern zu Gefallen auf den Vorschlag ein. Er glaubte nämlich, auch ohne athenische Truppen mit den Bundesgenossen vom Festlande und dann noch durch die Htolier verstärkt zu Lande nach Böotien ziehen und durch das Gebiet der ozolischen Lokrer nach dem dorischen Kytinion und, dem ParnassoS zur Rechten, zu den Phokiern gelangen zu können, die sich ihm als alte Freunde der Athener wahrscheinlich anschließen würden, nötigenfalls dazu gezwungen werden müßten. Phokien aber grenzt schon an Böotien. Gegen den Wunsch der Akarnanier brach er dann auch mit dem ganzen Heere von Leukas auf und fuhr an der Küste entlang nach Sollion. Hier eröffnete er den Akarnaniern seinen Plan, und als diese darauf nicht eingingen, unternahm er seinerseits mit den übrigen Streitkräften, den Kephaleniern, Messeniern, Zakynthiern und den dreihundert Seesoldaten von der athe nischen Flotte - die fünfzehn Schiffe aus Kerkyra waren näm lich wieder abgefahren -, den Zug gegen die Ätolier. Von Oineon in Lokris setzte sich das Heer in Bewegung. Die ozolischen Lokrer dort waren Bundesgenossen der Athener und sollten sich mit ihrer ganzen Macht im Innern des Landes dem Zuge anschließen. Denn da sie Nachbarn der Htolier, wie diese bewaffnet, auch mit ihrer Kampfesweise und der Zärtlich keit vertraut waren, so erschien ihre Teilnahme daran von be sonderem Wert.
Er übernachtete mit dem Heere im Heiligtum des nemei schen Zeus, wo der Dichter Hesiodos, dem sein Tod in Nemea prophezeit worden war, von den Einwohnern erschlagen sein soll, und trat bei Tagesanbruch den Marsch nach Ältolien an. Gleich am ersten Tage nahm er Potidania, am zweiten Kroky leion, am dritten Trichion, wo er haltmachte und die Beute nach Eupalion in Lokris schickte. Er beabsichtigte nämlich,